Die SPD Harlaching lud am vergangenen Donnerstag, den 14. März 2013, in die Gaststätte Gartenstadt in Harlaching zur Diskussion über ein wichtiges Thema: Wie muss die Pflege organisiert werden, damit alte Menschen in Würde leben können?
Mit dabei der bekannte Pflegekritiker, Sozialarbeiter und Buchautor Claus Fussek. Er veröffentlichte unter anderem das Buch "Im Netz der Pflegemafia - wie mit menschenunwürdiger Pflege Geschäfte gemacht werden" und hat 2008 für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Außerdem auf dem Podium: SPD-Bezirksrätin Helga Hügenell, Mitglied im Sozialausschuss des Bezirkstags Oberbayern, die selbst eine pflegebedürftige Mutter hat, und Hans Kopp, Referent der Arbeiterwohlfahrt München für stationäre Altenpflege. Er ist verantwortlich für 10 Einrichtungen mit 1.100 Pflegeplätzen und 600 Beschäftigten. Der SPD-Landtagskandidat Florian von Brunn übernahm die Moderation.
Claus Fussek einmal mehr als langjähriger Kenner der Pflege und engagierter Anwalt alter und pflegebedürftiger Menschen. Er begann mit einer deutlichen, aber mehr als berechtigten Kritik: "An der dramatischen Situation für pflegebedürftige Menschen hat sich leider kaum etwas verändert. Aber niemand möchte das wahre Ausmaß der Pflegekatastrophe zur Kenntnis nehmen. Leider sind „pflegeerleichternde Maßnahmen“ wie Fixierungen, Magensonden und Psychopharmaka in sehr vielen Pflegeheimen und Krankenhäusern noch Normalität. Aber selbstverständlich geht es auch anders: Ich kenne zahlreiche Einrichtungen, in denen es keine Fixiergurte und auch keine Magensonden gibt."
Fussek sieht die Politik und die Gesellschaft insgesamt in der Pflicht: "Wir müssen die Schwächsten schützen - und das sind Kinder und alte Menschen! Alter, Krankheit und Pflege sind Themen, die uns alle früher oder später angehen. Wir alle müssen alle Eigen-Verantwortung übernehmen, uns kümmern, hinschauen, nicht wegschauen, in der Nachbarschaft, im Pflegeheim, im Krankenhaus." Oft seien es nur bescheidene Kleinigkeiten die behinderten, alten, kranken Menschen im Stadtteil ein Stück Lebensqualität und Selbstbestimmung erhalten, so Fussek. Er betonte die Verantwortung der Angehörigen, forderte aber zugleich auch ihre Entlastung und Unterstützung im Pflegefall. Auch die Medien nahm Fussek in die Pflicht: Sie müssen seiner Ansicht viel mehr über das Thema Pflege berichten, Missstände zur Sprache bringen, aber auch vorbildliches Engagement.
An die Pflegekräfte gewandt, von denen etliche auch auf der Veranstaltung waren, sagte er: "Kämpft mit den Angehörigen gemeinsam für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen - für die Euch anvertrauten wehrlosen, besonders schutzbedürftigen Menschen. Es doch gibt niemand, der für schlechte Pflege, für Minutenpflege im Akkord und gegen eine bessere Bezahlung von engagierten, verantwortungsbewussten und motivieren Pflegekräften ist!“
Fussek appellierte auch immer wieder an die Zuhörer und seine Gesprächspartner auf dem Podium: "Wir müssen uns kümmern, wir dürfen alte, pflegebedürftige, kranke Menschen und ihre Angehörigen nicht im Stich lassen! Es sind unsere Eltern, Großeltern, Angehörige, Freunde, Bekannte, ehemalige Berufs-, Partei- oder Sportkameraden." Dafür erntete er viel Applaus und Zustimmung der Zuhörer.
Hans Kopp von der Arbeiterwohlfahrt kritisierte, dass die Belastungssituation des Pflegepersonals ist immens gestiegen sei. Die Bewohner der Heime in den Pflegeheimen seien vielfach schwerkrank und größtenteils demenzkrank. Die Verweildauer sinke und der Wechsel sei enorm. Gleichzeitig sind die rechtlichen und fachlichen Anforderungen auch stetig gewachsen. Ein Drittel der Arbeit wird für Dokumentation und Organisation aufgewandt.
Appelle, dass sich die Familie stärker kümmern soll und bürgerschaftliches Engagement gefördert wird, bringen aus Kopps Sicht keine Lösung. Die Leistungen der Pflegeversicherung müssen steigen. Kopp sieht hier Politik und Staat in der Verantwortung. Er betonte auch, dass die Pflegenden mehr öffentliche Wertschätzung und weniger Fremdbestimmung brauchen: "Pflegende leisten täglich Schwerstarbeit. Wenn sich die Personalausstattung in der Pflege nicht erhöht, droht der Kollaps. Durch eine bessere Personalausstattung werden die Arbeitsbedingungen attraktiver und wir bekommen auch mehr Personal“.
Florian von Brunn sprach sich zum Schluß für einen Sozialstaat aus, der sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht nur an den Kosten orientiert: "Die Würde des Menschen ist unantastbar, so steht es im Grundgesetz. Dort steht nicht der Zusatz: 'soweit finanzierbar'. Die Politik hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten aber leider genauso gehandelt oder einfach gar nichts getan!" Von Brunn forderte eine bessere gesetzliche Pflegeversicherung, die alle notwendigen Leistungen abdeckt: "Dieses Geld müssen wir aufbringen!".
Die Zuhörer beteiligten sich intensiv an der Diskussion und nach der Veranstaltung gab es auf Facebook das Lob einer Besucherin: ".. eine tolle und informative Veranstaltung. … Bitte so weiter und mehr Veranstaltungen zu diesem Thema. Wir alle brauchen Infos und auch Mut um alten, kranken und behinderten Menschen zu helfen und sie zu unterstützen ..."
Foto: Auf dem Podium sitzen von links nach rechts gesehen, Claus Fussek, Helga Hügenell, Florian von Brunn und Hans Kopp.