Wirtschaftskrise bekämpfen und zugleich das Klima schützen!

16. Mai 2020

Die Corona-Pandemie hat unserer Wirtschaft stark geschadet. Noch ist der Virus nicht besiegt, doch wir müssen uns jetzt schon dringend um den erfolgreichen ökonomischen und gesellschaftlichen Neustart kümmern. Es geht es um Jobs und Wohlstand - mit starkem Fokus auf Umweltschutz. Denn verglichen mit der drohenden Klimakatastrophe ist die verheerende Corona-Krise nur ein laues Lüftchen.

Jetzt ist ein starker Staat gefordert! Wir müssen alles in die Schlacht werfen, aber dabei die Weichen richtig stellen: Es geht darum Arbeitsplätze, Firmen und (Solo-)Selbständige zu retten - und dabei Klima und Umwelt schützen.

Deswegen habe ich als umweltpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion zusammen mit Annette Karl, unserer wirtschaftspolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, einen Vorschlag gemacht, wie das gelingen kann!

Soziale Krisenpolitik und ökologische Innovation:

Arbeitsmarkt stützen, Firmen retten, Klimaschutz voranbringen!##

Ausgangssituation:

„Die Coronakrise wird zur tiefsten globalen ökonomischen Krise seit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre führen. Das globale und das regionale Wachstum werden stärker einbrechen als in der Finanzkrise 2008/09. Denn diese Krise führt zu einem Schock sowohl auf der Angebots- wie auch der Nachfrageseite und durch die Betroffenheit aller wichtigen Wirtschaftsregionen in der Realwirtschaft werden die Konsequenzen weitreichender sein als bei vorherigen globalen Wirtschaftskrisen“ (Wege in den Neustart – Weichen für die Zukunft stellen. Ein Diskussionspapier unter Mitwirkung des Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsforums der SPD e.V., Berlin April/Mai 2020)

Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste schwere Wirtschaftskrise erreicht jetzt schon historische Dimension und wird die Finanzkrise 2008/09 in ihren ökonomischen und sozialen Auswirkungen bei weitem übertreffen. Die Bundesregierung rechnet derzeit mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 6,3 Prozent für das Jahr 2020. Angesichts der Tatsache, dass niemand weiß, wie lange die Pandemie andauert, kann es sogar noch schlimmer kommen. Ökonomen und Wirtschaftshistoriker gehen davon aus, dass die Depression das Ausmaß der Weltwirtschaftskrise von 1929ff erreicht.

Wirtschaftliche Kernschmelze, Massenarbeitslosigkeit und Armut verhindern!

Das Wichtigste ist es im Moment aus sozialdemokratischer Sicht, den weitgehenden Zusammenbruch des Arbeitsmarktes und den Bankrott zahlreicher Firmen, insbesondere auch des Mittelstands, in Deutschland und Bayern zu verhindern. Großzügige kurzfristige und unbürokratische Hilfs- und Stützungsmaßnahmen sind das Gebot der Stunde, um schlimmste soziale Folgen, Massenarmut und – in ihrer Folge – politische Destabilisierung und Radikalisierung zu verhindern. Wir Sozialdemokraten*innen wissen aus historischer Erfahrung, welche furchtbaren politischen Folgen wirtschaftliche Depression und Massenarbeitslosigkeit haben können. Dafür müssen die Soforthilfe- und Kreditinstrumente verlängert und stark ausgeweitet werden. Außerdem müssen neben ‚traditionellen‘ Betrieben auch bisher vernachlässigte Gruppen und Wirtschaftsakteure wie die zahlreichen Soloselbständigen mitberücksichtigt werden. Die Wirtschaft braucht aber unbedingt auch Verlässlichkeit und Planungssicherheit als Rahmenbedingungen: Deswegen muss die Politik – in Bayern die Staatsregierung – jetzt einen flexiblen Stufenplan für Lockerung des Shutdown unter Berücksichtigung epidemiologischer Erkenntnisse vorlegen, wenn nötig differenziert nach Sektoren und Branchen.

Konjunkturprogramm und sozial-ökologische Zukunftsinvestitionen intelligent vereinen!

Jetzt schlägt, wie in der Finanzkrise, die Stunde des Staates. Nur mithilfe staatlicher Finanzmittel und Konjunkturprogramme können wir unsere Arbeitsplätze, unsere Unternehmen und unsere freie Gesellschaft retten. Dabei ist neben erheblichen öffentlichen Investitionen in die Wirtschaft ein starker Sozialstaat als Netz und Schutzschirm unverzichtbar. Wenn der Staat in dieser schweren Stunde enorme Mittel aufbringt, dann muss er unmoralische Bereicherung verhindern – Stichwort: Dividenden trotz staatlicher Hilfen -, er kann und muss aber auch die Chance in der Krise nutzen, um eine nachhaltige sozial-ökologische Modernisierung Deutschlands und Bayerns zu bewirken und zu finanzieren!

Was muss Bayern nach der Soforthilfe-Phase tun?

Bayern braucht ein umfassendes sozial-ökologischer Konjunkturprogramm, dass die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch bewahrt, Wohlstand und Arbeitsplätze bewahrt und den Freistaat zugleich auf einen nachhaltigen und klimaverträglichen Pfad wirtschaftlicher Entwicklung führt. Wer nur eine Abwrack- oder Kaufprämie für Autos fordert, denkt und springt viel zu kurz!

Erstens: Soziale Energie- und Wärmewende voranbringen!

Wer, wie der bayerische Ministerpräsident, jetzt eine Ausweitung der Kaufprämie für E-Autos fordert, aber gleichzeitig die Energiewende in Berlin und München blockiert und ausbremst, spielt falsch und disqualifiziert sich selbst. Die Energiewende ist die Voraussetzung für jegliche sozial-ökologische Investition und Innovation. • Deswegen muss Bayern JETZT die sog. 10-H-Regelung aufheben! Mit diesem fortschrittsfeindlichen und umweltschädlichen Windkraftstopp werden wir weder der E-Mobilität noch einer umweltfreundlichen Digitalisierung zum Durchbruch verhelfen und unsere Klimaziele krachend verfehlen. Außerdem muss sich die Staatsregierung in Berlin für eine Aufhebung des sog. Photovoltaik-Deckels einsetzen sowie dort die Festlegung eines festen Abstands von Windrädern zur Wohnbebauung verhindern. Das Immissionsschutzgesetz bietet alle nötigen Instrumente Menschen- und Klimaschutz zu vereinen.

• Der Freistaat muss jetzt die Wärmewende und den Ausbau von Wärmenetzen energisch anpacken. Dazu gehört ein finanzstarkes Förderprogramm für Geothermie und eines für ‚Block‘-Wärmepumpen, verbunden mit einer Abwrackprämie für fossile Heizungen. Das nützt auch dem Handwerk in Bayern.

Dazu gehören zum Beispiel:

o Die Übernahme bzw. Absicherung der finanziellen Risiken für Geothermie-Probebohrungen für kleinere Gemeinden und Städte. o Eine starke Förderung des Ausbaus von Wärme- und Kältenetzen sowie Fernwärmeverbundnetzen, solange die Bundesregelungen sich nur auf Kraftwärmekopplung und Biomasse beziehen, durch direkte Investitionszuschüsse und Anschlussprämien.

• Die Energiewende in Bayern muss sozial werden und auch Mieterinnen und Mietern nützen. Deswegen muss der Freistaat jetzt ein finanziell starkes und breit angelegtes Förderprogramm für Photovoltaik und Wärmedämmung auflegen, das einen besonderen Schwerpunkt auf kommunale Wohnungsbaugesellschaften, geförderte Wohnungen und Wohnungsgenossenschaften legt.

• Bayern braucht außerdem ein starkes ökologisches Modernisierungsprogramm für öffentliche Gebäude mit dem Ziel, innerhalb von 10 Jahren alle öffentlichen Gebäude auf den aktuellen Stand der Wärmedämmung zu bringen und sie überall dort, wo es möglich ist, mit Photovoltaik, Fernwärmeanschluss oder Wärmepumpen nachzurüsten.

• Energieeffizienz im Freistaat erhöhen und Energiearmut verhindern. Dafür muss Bayern allen Bürgerinnen und Bürgern eine Kaufprämie für den Ersatz von veralteten (10 Jahre oder älter) oder defekten Haushaltsgroßgeräten auszahlen, um damit Geräte der höchsten Energieeffizienzklasse erwerben zu können. Einkommensschwache Haushalte und Bezieher*innen von Sozialleistungen wie ALGII, Hilfe zum Lebensunterhalt und/oder Wohngeld bekommen den gesamten Kaufpreis des preisgünstigsten Geräts in der höchsten Energieeffizienzklasse erstattet

Diese Maßnahmen fördern den Klimaschutz, stärken die soziale Balance in der Krise und stützen insbesondere Bauwirtschaft, Handwerk und Handel.

Zweitens: Sozial-ökologische Verkehrswende voranbringen!

Eine Kaufprämie für emissionsfreie E-Kraftfahrzeuge ist eine sinnvolle Maßnahme. Sie existiert aber bereits. Wir lehnen eine Erhöhung dieser ökologischen Zulage nicht grundsätzlich ab - im Gegensatz zu einer Abwrackprämie für Fahrzeuge mit klimaschädlichen fossilen Antrieben (Diesel und Benziner) oder Mogelpackungen wie Hybrid-SUVs. Es gibt aber in der jetzigen Situation sinnvollere Instrumente, um die Automobilindustrie zu stützen und die klimafreundliche Verkehrswende in Bayern entscheidend voranzubringen:

• Klimainvestitionsprogramm für die Umstellung der Fahrzeugflotten alle Behörden und staatliche Einrichtungen in Bayern, soweit möglich, auf emissionsfreie Fahrzeuge. Zur Stützung der Konjunktur Erstattung der Kaufpreise jetzt, Lieferung auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich.

• Deutliche Erhöhung der Förderung für E-Ladeinfrastruktur durch die Ausdehnung der Münchner Förderbedingungen (Übernahme von 40 Prozent der Kosten für Planung, Montage und Installation einer Ladeinfrastruktur sowie bis zu 10.000 Euro für einen Schnellladepunkt) auf ganz Bayern

• Ergänzung des Bundes-Förderprogramms für gewerblich genutzte E-Lasten-Bikes durch ein bayerisches Förderprogramm auch für private E-Lastenbikes. Die Fördersummen sollten dabei mindestens das Münchner Niveau erreichen (Lastenpedelecs und zwei- und dreirädrige Elektroleichtfahrzeuge mit 25 % der Nettokosten bis maximal 1.000 €)

• Ausbau des öffentlichen Verkehrs, vor allem durch schnelle Erhöhung der Ausgaben und Bestellung für Regionalverkehrsleistungen, insbesondere des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV).

• Ersatz der befristeten Projektförderung innovativer Mobilitätskonzepte im ländlichen Raum wie z.B. dem Baxi durch eine langfristige Schließung der Wirtschaftlichkeitslücke durch den Freistaat.

• Landkreisübergreifende Expressbusverbindungen in Bayern müssen ausgebaut werden.

• Sofortige Lockerung der Bedingungen für Bahnstreckenreaktivierung und strategische Förderung von Reaktivierungsprojekten. Die Finanzierung dieser Projekte darf nicht zulasten anderer SPNV-Projekte in Bayern gehen, deshalb muss im Haushalt der BEG (Bayerische Eisenbahngesellschaft) ein Extraposten Reaktivierungen geschaffen werden.

• Förderprogramm für die ökologische und verkehrstechnische Modernisierung von öffentlichen Personenverkehrs- und Nutzfahrzeugflotten zur Einführung von emissionsfreien und sicheren – mit Abbiegeassistent ausgestatteten - Bussen und LKWs

Diese Maßnahmen stärken und stützen die Automobilindustrie, ihre Zulieferer und den umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr und erhöhen neben dem Klimaschutz zugleich die Verkehrssicherheit!

Drittens: Klimafreundliche und soziale Digitalisierung voranbringen!

Gerade jetzt in der Corona-Krise zeigt sich, welches Fortschrittspotential und welche Möglichkeiten in der Digitalisierung stecken. Wir können trotz räumlicher Distanz von Angesicht zu Angesicht per Video kommunizieren, die Arbeit in vielen Berufen ohne Angst vor Ansteckung und Produktivitätsverlust im Home Office erledigen, ja sogar Bildung digitalisieren.

Gleichzeitig werden aber auch die Defizite der Digitalisierung in Bayern offenkundig: Die Digitalisierung der Schulen ist steckengeblieben oder allenfalls Stückwerk, sozial Benachteiligte verfügen über keine ausreichenden Zugang zu den notwendigen Geräten oder dem Internet und die Digitalisierung insgesamt hat einem immer größeren negativen ökologischen Fußabdruck. Laut Umweltbundesamt haben deutsche Rechenzentren 2014 alleine die gesamte Stromproduktion von vier mittelgroßen Kraftwerken verbraucht. Nach einer Prognose des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) und des Borderstep Instituts soll sich der Stromverbrauch deutscher Rechenzentren von 2015 bis 2025 um mehr als 50 Prozent erhöhen.

Um die Corona-Krise sicher zu bewältigen, Innovationen anzustoßen und ökonomische Effizienzpotential zu heben, ohne negative ökologische und soziale Rückkoppelungs- (Rebound)Effekte zu verursachen, wollen wir eine sozial-ökologische Digitaloffensive in Bayern: Die einzelnen Instrumente: • Klimaförderprogramm für bayerische Rechenzentrum mit dem Ziel der dauerhaften Senkung des Energieaufwands und Entkoppelung des Energieverbrauchs vom Wachstum durch Förderung der Virtualisierung und damit besserer Ausnutzung der Hardware-Ressourcen, Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom – PV-Programm für Rechenzentren und regenerativ erzeugter Kälte (Kühlung) sowie konsequenter Nutzung der Abwärme für Heizzwecke.

• Weiterentwicklung des erfolgreichen Programms „Digitalbonus“ für kleine mittelständische Unternehmen und Selbständige, um die Einführung von Videotechniken und Homeoffice sowohl für Hard- und Software als auch Beratung und Dienstleistungen durch Zuschüsse des Freistaates deutlich zu erleichtern und zu beschleunigen.

• Digitalisierungsoffensive für Schulen: Modernisierung der IT-Ausstattung an allen bayerischen Schulen mit Breitbandanschluss und flächendeckendem Wlan. Alle Lehrkräfte erhalten Arbeits-Notebooks und Pads. Das Digitalisierungsministerium entwickelt zusammen mit dem Bildungsministerium einen einheitlichen „Warenkorb“ für jeden Schultyp und bildet einen Einkaufspool zum kostengünstigen Erwerb der nötigen Hardware. Die Möglichkeit der Vernetzung aller Schulen über eine „Bayern-Plattform“ ist hierbei sicher zu stellen. Die unter dem damaligen Staatssekretär im Finanzministerium Franz Josef Pschierer angefangenen Arbeiten in diese Richtung sind sofort wieder aufzunehmen.

• Förderprogramm für benachteiligte Familien: Der Zuschuss für Kinder aus sozial benachteiligten Familien von 150 Euro, der auf die SPD zurückgeht, wird entsprechend der Förderung in München um 250 Euro pro Kind erhöht. Außerdem erhalten die Familien einen Bildungsgutschein für eine Fortbildung im Bereich Internetnutzung und Computer.

• Übernahme der Internetanschlusskosten und pauschalierter Zuschuss zu laufenden Internetkosten für benachteiligte Familien und ältere Menschen während der Corona-Pandemie

Diese Maßnahmen stärken die bayerische IT-Branche, erhöhen die Produktivität der bayerischen Wirtschaft und halten Arbeitskräfte trotz Pandemie arbeitsfähig. Außerdem fördern sie an strategisch entscheidender Stelle den Klimaschutz und die Bildungsgerechtigkeit als Voraussetzung für zukünftige Produktivität und bessere Lebenschancen.

Viertens: Stärkung der bayerischen Landwirtschaft und des Naturschutzes

Die Landwirtschaft spielt in Bayern als stärkstem deutschem Agrarland eine wichtige Rolle. Deswegen sollten die Kriseninstrumente auch die Landwirtschaft stützen und gleichzeitig zum Klima- und Umweltschutz beitragen:

• Förderprogramme und Kaufprämien für besonders klima- und umweltfreundliche landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte (Investitionszulagen), die eine effizientere Ausnutzung der eingesetzten Ressourcen ermöglichen (Präzisionsdüngung, Einsparung chemischer Pflanzenschutz…)

• Umstellungsprogramm für alle die Umstellungen aller Kantinen und Mensen öffentlicher Einrichtungen wie Behörden, Kitas, Schulen und Hochschulen auf regional erzeugte Lebensmittel bzw. regional erzeugte Bio-Lebensmittel (soweit verfügbar)

• Erhöhung der Förderung für die förderfähigen Natur- und Artenschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft auf EU-Ebene ermöglichen und durch den Bayerischen Staatshaushalt finanzieren.

• Unterstützung der Digitalisierung der Landwirtschaft durch spezifische Modifikationen des Digitalbonus. Dabei Schaffung einer einheitlichen Schnittstelle und Bereitstellung von Datenspeichern durch die öffentliche Hand, um Abhängigkeiten von großen Konzernen (Pflanzenschutz- und Landtechnikkonzerne) zu vermeiden

Diese Maßnahmen stärken nicht nur die Landwirtschaft und die Hersteller von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen, sondern fördern auch den Klima- und Artenschutz in der Landwirtschaft, senken Transportemissionen und erhöhen die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Deutschland und Bayern.

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