Am 14. Oktober 2013 wurde in München-Giesing eine Frau von ihrem Ehemann ermordet. Sie hinterlässt zwei kleine Kinder. Es war laut Presse ein „Mord mit Ankündigung“. Der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn wollte wissen, was die zuständigen Behörden unternommen haben. Die Antwort des Innenministeriums auf seine Anfrage zeigt Versäumnisse und rechtliche Probleme auf. Sie lässt aber auch wichtige Fragen offen.
Von Brunn kann den Umgang der Staatsanwaltschaft mit dem Fall nicht nachvollziehen. Es war bekannt, dass der Mann und spätere Täter seit 2011 gewalttätig gegen seine Frau war. Die Situation hat sich 2012 verschlimmert und ist im Juni/Juli 2013 stark eskaliert. Zu diesem Zeitpunkt war es nach gewalttätigen Übergriffen bereits zu einer mindestens viermaligen Verhängung eines polizeilichen Kontaktverbots für den Ehemann, einem gerichtlichen Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz, einem Austausch der Türschlösser der Wohnung, zwei Gefährderansprachen durch die Polizei und dem Ratschlag an die Frau gekommen, in ein Frauenhaus umzuziehen. Die Frau selbst wollte aufgrund der Situation nach eigener Aussage nach Griechenland zurückkehren. Trotzdem sah die Staatsanwaltschaft keine Strafbarkeit wegen Nachstellung, weil das „Tatbestandsmerkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse nicht erfüllt“ sei. (Seiten 4, 13-14 der Antwort)
Florian von Brunn: "Wann sind die Lebensverhältnisse 'schwerwiegend' beeinträchtigt, wenn nicht hier? Selbst wenn man die strengen Maßstäbe der Rechtsprechung berücksichtigt, hätte die Staatsanwaltschaft handeln müssen und zwar schnell! Dass kein Ermittlungsverfahren wegen Nachstellung eingeleitet wurde, zeigt, dass der Vorgang entweder überhaupt nicht bearbeitet wurde oder solche gravierenden Fälle immer noch viel zu leicht genommen werden. Ganz offensichtlich muss §238 StGB überarbeitet und präzisiert werden. Der Gesetzgeber muss den Strafverfolgungsbehörden bei Nachstellung eindeutige Vorgaben machen!“, so von Brunn.
Der Landtagsabgeordnete sieht aber auch Versäumnisse bei der Polizei: "Die Polizei hat in dem Fall einiges unternommen. Aber sie hat die Situation unmittelbar vor dem Mord falsch bewertet und nicht schnell genug gehandelt. Sie hat Schutzmaßnahmen für die Frau aufgehoben und nicht wieder in Kraft gesetzt. Und sie hat unverständlicherweise gezögert, den Mann in Polizeigewahrsam zu nehmen."
Die bisherigen Maßnahmen und Schritte waren bis Anfang Oktober 2013 wirkungslos geblieben: mindestens vier polizeiliche Kontaktverbote und drei Gefährderansprachen, zudem vielfache Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz mit nachfolgenden Anzeigen. Die Polizei hatte bereits Schutzmaßnahmen für die Frau ergriffen. Hintergrund war ein schwerwiegenden Übergriff mit Körperverletzung am 30. September 2013 in der Öffentlichkeit und eine Warnung am 1. Oktober durch einen Unbekannten. Die - leider nicht näher beschriebenen - Schutzmaßnahmen wurden am 7. Oktober aber wieder aufgehoben. Sie wurden auch nach einer Bedrohung durch den Täter am 9. Oktober auf Facebook nicht wieder aufgenommen. Statt dessen wurde das spätere Opfer am 9. Oktober zur Klärung offener Fragen erst für den 30. Oktober einbestellt (!). Die Polizei war offensichtlich immer wieder auch nicht in der Lage, „Sprachbarrieren“ zu überwinden, wie es in der Antwort heißt. (Seiten 6-7 und 13-14 der Antwort)
Von Brunn: "Meiner Ansicht hätte die Polizei die Schutzmaßnahmen nach der erneuten Bedrohung auf Facebook wieder aufnehmen und den Ehemann in Gewahrsam nehmen müssen. Wofür ist der Polizeigewahrsam denn da? Warum wird nicht zu diesem Instrument gegriffen, wenn mehrfache Kontaktverbote und drei Gefährderansprachen nicht helfen, eine Bedrohungssituation da ist und sogar schon Schutzmaßnahmen ergriffen wurden? In anderen Fällen gibt es da keine so große Zurückhaltung!" Im Bayerischem Polizeiaufgabengesetz (PAG) heißt es ausdrücklich: „Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen …“, wenn „… das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat … von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern; die Annahme, dass eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, dass …sie die Begehung der Tat angekündigt“.
Florian von Brunn kritisiert auch, dass in der Antwort des Innenministeriums Vorfälle nicht auftauchen oder beschönigend dargestellt wurden: "In der Presse wurde berichtet, der Ehemann hätte vor dem Mord gedroht: 'Ich steche Dich ab!'. Diese Bedrohung wird überhaupt nicht erwähnt. Außerdem wird im Zusammenhang mit dem Vorfall am 30. September nicht geschildert, dass es dabei in der Öffentlichkeit zu gewalttätigen Übergriffen (Körperverletzung) gekommen sein muss. Leider wird auch nicht darauf eingegangen, dass die Polizei am 9. Oktober erneut einen Haftbefehl bei der Staatsanwaltschaft beantragt hat. Dieser Antrag wurde aber tagelang überhaupt nicht bearbeitet. Dazu findet sich kein Wort in der Antwort des Innenministeriums. Die Antwort enthält auffallende Lücken, obwohl die Bearbeitung ganze zehn Wochen gedauert hat.“
"Beschämend für Innenminister Herrmann und die CSU ist auch das Eingeständnis, dass die erfolgreiche Arbeit des "Münchner Unterstützungsmodells für Opferberatung" über kommunale Finanzmittel, Spenden und Bußgelder finanziert werden muss. Der Freistaat stiehlt sich hier offensichtlich aus der Verantwortung anstatt für eine ausreichende Finanzierung von Prävention und Opferschutz zu sorgen!“ (Seite 12 der Anfrage)