Umweltbundesamt sieht akuten Handlungsbedarf - SPD-Verbraucherschützer Florian von Brunn fordert systematische und kostenlose Bluttests für alle Bewohnerinnen und Bewohner sowie eine regelmäßige Überprüfung von Lebensmitteln aus dem Landkreis
Nach der besorgniserregenden Neubewertung von PFC-Werten in Blut durch das Umweltbundesamt (UBA) fordert der SPD-Verbraucherschützer Florian von Brunn eine deutliche Ausweitung der Gegenmaßnahmen im Landkreis Altötting durch die Staatsregierung. Laut der Bewertung des Umweltbundesamts (UBA) überschreiten die gemessenen Ergebnisse die festgelegten Stufen des HBM-II-Werts (sogenannte Maßnahmenwerte), ab der das UBA "eine als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung“ für möglich hält, „so dass akuter Handlungsbedarf zur Reduktion der Belastung besteht“.
Nach eigenen Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurde in den unteruschten Blutproben von 2018 bei 761 von 906 Personen, die nicht beruflich mit dem Umweltgift PFOA zu tun hatten, die aktuellen HBM-II-Werte für PFOA überschritten. Somit wurde bei 84 Prozent der untersuchten Personen ein erhöhter HBM-II-Wert festgestellt. In weiteren zahlreichen Fällen wurde der HBM-II-Wert sogar um ein Vielfaches überschritten, denn der Mittelwert der Belastung betrug bei den oben genannten 906 Personen nach Angaben des LGL 20 Mikrogramm pro Liter Blut, also das Doppelte. Ebenfalls wurde bei 47 untersuchten Kindern von null bis acht Jahren eine zum Teils massive Überschreitung des HBM-II-Werts festgestellt.
Von Brunn ruft die zuständigen bayerischen Gesundheitsbehörden dazu auf, die Warnungen der Expertinnen und Experten endlich ernst zu nehmen: „Die bisherige Verharmlosung der Untersuchungsergebnisse durch das LGL muss aufhören. Die Behörden sind vielleicht nicht Schuld an der ursprünglichen Verseuchung der Region mit PFC durch eine Chemiefirma, aber sie machen sich mitschuldig, wenn sie nicht endlich angemessen darauf reagieren.“ Studien zufolge stehen PFC-Chemikalien in Verdacht, Krebs sowie Herz- und Kreislauferkrankungen auszulösen. Auch Fehlentwicklungen bei Embryonen, Unfruchtbarkeit, Immunschwäche und Leberschäden sind laut UBA möglich. Von Brunn schlägt deshalb vor, systematisch allen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landkreises regelmäßige und kostenlose Blutuntersuchungen auf PFC anzubieten. Außerdem müssen relevante Lebensmittel aus der Region, wie zum Beispiel Milch, kontinuierlich auf PFC kontrolliert werden. Zuletzt geschah das 2007, also vor 13 Jahren. Deshalb hat von Brunn eine umfassende schriftliche Anfrage an die bayerische Staatsregierung formuliert, um den aktuellen Stand der Maßnahmen in Altötting zu erfahren. „Nur mit zuverlässigen Informationen kann die Bevölkerung ihr Konsumverhalten anpassen und damit eine weitere Anreicherung der Chemikalie im Körper reduzieren“, betont der SPD-Abgeordnete und erklärt weiter: „Der Stoff wurde zunächst im Trinkwasser nachgewiesen. Doch selbst bei Personen, die schon seit Jahren kein Wasser mehr aus dem Hahn trinken, sind die PFC-Konzentrationen im Körper zu hoch. Dafür muss es Ursachen geben“.
Aber auch auf Bundesebene sieht von Brunn Handlungsbedarf. So muss die Nationale Stillkommission endlich offizielle Empfehlungen abgeben, wieviel von den PFC-Chemikalien PFOA und PFOS in Muttermilch vorhanden sein darf, bevor der Verzehr für Säuglinge gefährlich wird. PFOA und PFOS können nach zahlreichen wissenschaftlichen Studien den Impfschutz bei Säuglingen und Kleinkindern außer Kraft setzen. PFC-Chemikalien, zu der auch das in hoher Konzentration gefundene PFOA gehört, wurden bis zum Jahr 2006 von der Firma Dyneon im Industriepark Gendorf produziert und noch bis 2008 dort eingesetzt. Anscheinend sind Rückstände dieser gefährlichen Chemikalie in die Umwelt und letztendlich auch ins Trinkwasser gelangt. Die Substanzen werden verwendet, um Oberflächen wasser-, öl- und schmutzabweisende Eigenschaften zu verleihen und werden deshalb in vielen Bereichen eingesetzt, beispielsweise zur Ausrüstung von Textilien und zur Veredelung von Papier.