Fraktionsvorsitzender Florian von Brunn: Betroffene müssen in den Mittelpunkt gestellt werden - Missbrauchsbeauftragter könnte unabhängige Aufklärungskommission einrichten
Die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag fordert als Reaktion auf das kürzlich veröffentlichte sogenannte Missbrauchsgutachten einen Missbrauchsbeauftragten der Staatsregierung. Florian von Brunn, SPD-Fraktionsvorsitzender, betonte in seiner Rede zum entsprechenden SPD-Dringlichkeitsantrag im Landtag: "Es ist gut, dass die Erzdiözese München und Freising sich dem schmerzhaften Aufklärungsprozess gestellt haben. Das Gutachten ruft aber auch Entsetzen und Wut hervor. Es zeigt, dass die Opfer - sie waren zum Tatzeitpunkt Kinder und Jugendliche - in der Kirche lange Zeit zweitrangig waren. Ihr Leid und ihre Schmerzen haben für eine Kirche keine Rolle gespielt, deren Lehre die Nächstenliebe als zentralen Wert sieht. Stattdessen ging es den Verantwortlichen nur darum, Priester und Kirchenangehörige zu schützen, die zum Teil schwere Straftaten begangen und diesen Kindern und Jugendlichen unfassbaren Schaden zugefügt haben. Jetzt müssen wir endlich den Opfern Empathie und Hilfe zukommen lassen und auf ihre berechtigten Forderungen eingehen. Aufklärung und Zuwendung erfolgten bisher viel zu zäh, zu langsam, zu bürokratisch und teilweise auch immer noch zu selbstgerecht. Das zeigt: Politik und Gesellschaft können und dürfen diesen so wichtigen Prozess der Aufklärung und Hilfe nicht allein der Kirche überlassen. Wir brauchen einen Beauftragten, der an den Landtag berichtet und das Recht hat, eine unabhängige Aufklärungskommission einzurichten."
Der SPD-Fraktionschef sei irritiert darüber, dass lange nicht ermittelt wurde: "Wieso haben die bayerischen Staatsanwaltschaften offenbar erst 2018 - nach einem bundesweiten Gutachten - in größerem Umfang Ermittlungen aufgenommen? Immerhin handelte es sich bei damals genannten Übergriffen um möglichen Kindesmissbrauch beziehungsweise sogar um schweren Kindesmissbrauch, also um Offizialdelikte, die die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgen muss."
Für von Brunn ist der Skandal nur ein weiteres Indiz für einen dringend notwendigen Reformprozess der Kirche: "Indem sie sich demokratisiert, Frauen gleichen Anteil an Funktionen gibt und sie in ihren eigenen Entscheidungen respektiert, queere Menschen gerade auch in ihren eigenen Reihen akzeptiert, überkommene und falsche Vorstellungen von Sexualmoral aufgibt und vor allem Lehre und Handeln in Einklang bringt, ist es unwahrscheinlicher, dass erneut Straftäter in einem solchen Ausmaß gedeckt werden."